Die INTERNATIONALE JURY des 38. BOLZANO FILM FESTIVAL BOZEN, bestehend aus Dominik Kamalzadeh, Fabio Ferzetti, Nadia Trevisan, Pascal Trächslin, Eva Trobisch und Barbara Weis, vergibt folgende Preise:
Preis des Landes Südtirol für den besten Film des Wettbewerbs BFFB38 | 7.000 Euro
Wind, talk to me (Vetre, pričaj sa mnom) von Stefan Djordjevic (SRB/SVN/HRV 2025) Begründung: Der Film ist ein intimes Tagebuch, ein Familienalbum, eine kollektive Geschichte, ein lyrisches Gedicht über die Natur, in dem jede Präsenz – Mensch, Tier, Pflanze – sich auflöst und wieder vereint. Indem er sich frei zwischen Epochen und Genres bewegt, hat Djordjevich den Schmerz über den Tod seiner Mutter in einen klaren und einprägsamen Film verwandelt, winzig und gleichzeitig gewaltig wie das Fleckchen Erde und Wasser, auf dem er gedreht wurde. Was auf wundersame Weise zur ganzen Welt wird.
Preis der Stiftung Südtiroler Sparkasse Bozen für die beste künstlerische Leistung (Bildgestaltung) aus den Filmen des Wettbewerbs BFFB38 | 5.000 Euro
Where the Night stands Still von Liryc Dela Cruz (ITA/PHL 2025)
Begründung: Die sorgfältig komponierten, statischen Schwarzweissbilder von Liryc Dela Cruz lassen uns in das unbekannte Universum philippinischer Gastarbeiter in Italien eintauchen. Im Stil des «Slow Cinemas» – der Film besteht nur aus rund 30 Einstellungen – beobachtet er die Begegnung der Geschwister und unterläuft mit äusserst sparsamen gestalterischen Mitteln gekonnt gängige Stereotypen. So gelingt es Liryc Dela Cruz, der neben der Bildgestaltung auch für Regie, Drehbuch, Schnitt und Szenenbild verantwortlich zeichnet, die zwischenmenschlichen Spannungen der Charaktere, die im großen Drama enden, auf äußerst subtile Art herauszuarbeiten.
SPEZIALPREIS DER JURY an einen Film des Wettbewerbs BFFB38 | 3.000 Euro
Viet and Nam von Tru’o’ng Minh Quý (VNM 2024) Begründung: Für die Fähigkeit, die Komplexität kultureller Identität und kollektiver Erinnerung zu erforschen und dabei dem Leben zwischen zwei Welten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Durch eine visuell eindrucksvolle Erzählung lädt uns der Film dazu ein, über die Bedeutung von Zugehörigkeit und die Herausforderungen des Wandels nachzudenken. Er entfaltet sich zwischen Nostalgie und Hoffnung und thematisiert die Last der Vergangenheit und die Herausforderungen der Gegenwart.
Eine Einladung, über Gastfreundschaft und Einheit nachzudenken und zu betonen, dass gemeinsame Erfahrungen verschiedene Kulturen einander näher bringen können. Eine tiefe innere Reise, bei der die Liebe der beiden jungen Menschen zu einem Symbol der Hoffnung und Widerstandskraft wird.
Verleihförderpreis der Autonomen Region Trentino-Südtirol an einen Film des Wettbewerbs BFFB38 oder der Sektion RealeNonReale | 10.000 Euro
Unsere Zeit wird kommen von Ivette Löcker (AUT/DEU 2024)
Begründung: Der Film führt in den Alltag eines Paares und erstaunt dabei von Anfang an durch eine Intimität, die von wechselhaftem Vertrauen erzählt. Die Kamera bleibt zurückhaltend, sie schafft große Nähe, ohne sich anzubiedern: Viktoria ist Österreicherin, Siaka stammt aus Gambia, gemeinsam wohnen sie in Wien, ein Leben zwischen Zärtlichkeit und Zähigkeit. Was aus Ivette Löckers aufmerksamer Begleitung entsteht, ist ein Beziehungsfilm, der von kulturellen und bürokratischen Widerständen, von Alltagsrassismus, vom Ringen um Zugehörigkeit erzählt. Zugleich setzt sich der Film grundlegend mit der Möglichkeit von Dialog auseinander – mit dem Respektieren von Unterschieden, mit einer Liebe, die auch um das weiß, was voneinander trennt. Löcker wahrt das Gleichgewicht der Positionen, ohne diese zu glätten, und sie bringt Perspektiven in Bewegung. Liebe erscheint hier als Sehnsucht nach Geborgenheit und zugleich als eine Verhandlungssache, voller Ambivalenzen. Widersprüche bleiben bestehen, Vorurteile werden keine ausgelöscht. „Unsere Zeit wird kommen“ ist ein Film, dem man viele Zuschauer:innen wünscht, weil er aus dem Privaten das Politische sichtbar macht.
Die Internationale Jury spricht außerdem folgende Lobende Erwähnung aus.
My Boyfriend el Fascista von Matthias Lintner (ITA 2025)
Begründung: In Zeiten von globaler Disruption, von Ab- und Ausgrenzung verhandeln zwei Männer die Weltpolitik in Hausschuhen.
In einer gespaltenen Gesellschaft, in der wir „die Anderen“ für ihre politischen Überzeugungen verurteilen, geht ein linker Filmemacher mit dem politischen Feind ins Bett - dem Wähler einer rechtspopulistischen Partei. Er ist Exil-Kubaner, er hat seine Gründe, und er ist sein Boyfriend. Er bewundert ihn für seinen aktivistischen Mut, für seine Emphase. Mit einem Rucksack voll Widersprüchen reisen und wandern die beiden, durch Kuba und Italien. Und sie reden. Sie reden viel. Sie verstehen sich, bis sie sich nicht mehr verstehen. Sie hören sich zu, bis sie es nicht mehr hören können. Und sie lieben sich. Also reden sie weiter.
My Boyfriend el Fascista lässt auch uns zuhören, lässt uns verstehen und zweifeln. Durch einen dringenden Film, der ebenso zärtlich ist wie unbarmherzig, so leicht wie bedrückend, sehr persönlich und genau deshalb so universell. Ein Film, der mahnt, uns in die Augen statt weg zu schauen.
Publikumspreis der Stadt Bozen an den Film des Wettbewerbs BFFB38 oder der Sektion RealeNonReale, für den die meisten Stimmen des Publikums abgegeben wurden | 2.000 Euro
My Boyfriend el Fascista von Matthias Lintner (ITA 2025)
Die FILMCLUB JURY, bestehend aus Greta Amati, Alberto Battan, Gustavo Delgado, Anna Fischnaller, Angelika Lee und Natalia Tibolla, vergibt die folgenden Preise:
IDM FILM COMMISSION SÜDTIROL AWARD für den BESTEN LANGFILM aus dem Raum EUREGIO | 2.000 Euro
Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man reden von Karl Prossliner (ITA 2025)
Begründung: Für eine mutige Darstellung und persönliche Interpretation des Tabus der Armut in einer zunehmend erfolgsorientierten Gesellschaft.
IDM FILM COMMISSION SÜDTIROL AWARD für den BESTEN Kurzfilm aus dem Raum EUREGIO | 1.000 Euro
Moving Mountains von Andrea Costa (ITA 2024)
Begründung: Weil er mit Originalität ein Beispiel für die Überwindung von kulturellen Barrieren und Misstrauen zwischen zwei so weit voneinander entfernten Realitäten aus einer Perspektive des Willkommenheißens, der Toleranz und der Freiheit erzählt.
Spezialpreis „Dolomiten Unesco Welterbe“ an den Film, der die Werte der Stiftung Dolomiti UNESCO am besten repräsentiert | 1.000 Euro
Die Jury, bestehend aus Walter Angonese (Wissenschaftlicher Beirat der Stiftung Dolomiten UNESCO), Volkmar Mair (Landesgeologe), Leo Hilpold (Direktor Landesamt für Natur) und Dorothea Vieider (vormalige Präsidentin des Filmclub Bozen) vergibt den Preis an:
Karuara, People of the River von Miguel Araoz Cartagena und Stephanie Boyd (PER 2024)
Begründung: Karuara, People of the River beeindruckt mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen, in welche beeindruckende handgemalte Animationsfrequenzen eingeflochten sind, welche die Geisterwelt auch für uns sicht- fühl- und erlebbar machen. Der Film entführt den Zuschauer in die Magie und Schönheit des Amazonasgebiets. Spannend spontan und authentisch erzählt er vom Volk der Kukama, seiner Kultur, seinem ausgeprägten Verständnis für Natur und Landschaft, und nicht zuletzt von seiner Verbundenheit mit der Geisterwelt, die bei uns oft schon aufgegeben – für manche unverständlich, ja inexistent – ist. Besonders beeindruckt hat die Jury das Bewusstsein der Bevölkerung für ihr universelles Erbe und der geballte Widerstand, den diese vom Aussterben bedrohte Kultur leistet, um auch weiterhin eine erstrebenswerte Zukunft in ihrer Heimat leben zu können. Der Film macht deutlich: Wenn die Umwelt eines Gebietes zerstört wird, wird nicht nur die Lebensgrundlage zerstört, sondern auch die Kultur, die gesamte Denk- und Lebensweise und die Geisterwelt der dort lebenden Menschen.
Die Jury hat sich darauf geeinigt, dass auch der Film Raíz - Through Rocks and Clouds von Franco García Becerra (PER/CHL 2024) eine besondere Erwähnung verdient. Preis der EUREGIO YOUNG JURY für den besten Film | 1000 Euro Der von der Schüler*innenjury, bestehend aus Nina Lechner, Sarah Pomaroli, Elena Sannicoló, Evelyn Scoz, Sarah Bertagnolli, Liam Gamberoni, Matteo Moscova, Tamara Mulser und Carolina Waldmüller Unterweger verliehene Preis geht an:
Last Swim von Sasha Nathwani (GBR 2024) Begründung: Einzigartig, künstlerisch und kontrastreich, das zeichnet den Film aus, den wir als diesjährige EUREGIO Young Jury prämieren. Die Nominierungen machten uns die Entscheidung nicht leicht, doch trotzdem ist es einem Film besonders gelungen, uns in seinen Bann zu ziehen. Das schafft der Film durch seine lebhafte Kameraführung, die uns erlaubt, ganz in das Geschehen einzutauchen, sowie die Charakterentwicklung, die mit Bravour dargestellt wurde. Realitätsnah bringt er uns mit seiner detailverliebten Art Themen wie Freundschaft, Freiheit, Lebenswille und Tod näher.
Ehrenpreise für eine herausragende Filmkarriere in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsamt der Stadt Bozen wurden die beiden Preise während des Festivals an Alba Rohrwacher und Christian Petzold verliehen.